"Christus trägt das Kreuz" Hieronymus Bosch zugeschrieben
Liebe Kantorianerinnen und Kantorianer.
Ein kurzer Probenrückblick und Anmerkungen
Neben der Wiederholung und Vertiefung des Eingangschores, den Registerproben für Alt und Sopran mit Isa und der Annäherung an den ersten Kreuzigungschor 23d "Weg, weg, weg, weg mit dem, weg, weg, ... kreuzige ihn ... ", gab es von Nikolai weiter Hintergrundinformationen zum Johannes-Evangelium und zur Passion — "Wir müssen noch über Juden sprechen". Dies ist nachzuhören am Beginn des 2. Teils der aufgezeichneten Probe.
Sprechen wir also über Juden - nicht weil wir müssen, sondern weil es wohl nötig ist, führt man heutzutage als Chor eine Bachsche Passion auf. Nicht, dass ich mich bislang damit befasst hätte. Alles gerade erst gelesen. Gibt man bei Google "Johannespassion Juden" ein, schaute man als Unbedarfter etwas irritiert über die Suchergebnisse und stellt fest - da stehen nicht die üblichen Headlines. Viel eher stellt sich die Frage, ist die Johannes-Passion ein →Narrativ für Antisemitismus?
Doch zurück zu Nikolais Eingaben. Die Gegnerschaft zwischen Juden und Christen manifestierte sich in der Bibel erst im Letzten, dem Johannes-Evangelium. Und die antijudaistischen Töne fanden sich daher auch in der Johannes-Passion von Bach wieder, der sich an die Vorgabe hielt. So ist dort die Reden von "den Jüden" und nicht mehr, wie zuvor in den drei älteren Evangelien, von Gruppen wie den Ältesten, Hohen Priestern oder Pharisäern. Die Ablehnung und Verurteilung der Juden in der Johannes-Passion ist spür- und hörbar, bedrohlich und eindringlich "weg, weg ..." — und immer kommen sie äußerst schlecht weg, sind es doch die Juden, die blutrünstig und brutal die Kreuzigung fordern. Ich stelle mir fast zwangsläufig die Frage, ob ich als Jude dieses Werk so singen würde und wie ich mich dabei fühlte.
Über ein antisemitisch gefärbtes Narrativ einfach hinwegzugehen, ist heute für die meisten kein gangbarer Weg mehr, auch in Anbetracht wachsender antijüdische Ressentiments. Der Umgang mit dem Werk ist auch für uns Aufführende unter diesem Aspekt zu betrachten und jedem Mitwirkenden sollte das auch klar sein. Das ist also auch Nikolais Intention der ersten Proben, denn Hintergrundinformationen in dieser Fülle, außerhalb musikalischer Feinheiten, gab es bislang zu keinem Werk. Daher ist die Aufzeichnung der Proben auch hilfreich, vor allem für die, die nicht teilnehmen konnten. Wie von Nikolai ankündigte, werden wir in einer angemessen Form, aber wohl ohne musikalische Umarbeitungen, damit umgehen, so dass unseren Zuhörern theologische und historische Umstände bewusst werden.
In schneller Recherche fand ich drei kürzere Artikel lesenswert, die diese Thematik und die Problematik "Darf man das heute noch singen und wenn ja, wie?" aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten:
Weitere Informationen
- Die Video-Aufzeichnung der zweiten Probe von Andreas Karl ist für Interessierte verfügbar.
- Nochmals hingewiesen sei auf die vielen vorweihnachtlichen Veranstaltungen der Karlshöhe, die hier nachzulesen sind.
- Isabelle hat für die Stimmbildung nun die Termine im November und Dezember in Dodle angelegt. Bitte tragt euch zahlreich ein und nutzt dieses Angebot! Stimmbildungstaler gibt es weiterhin bei Angelika Döscher aus dem Alt.
- Auf ein Projekt unseres Konzert-Videoaufnahme-Teams um Chris Knickerbocker sein noch hingewiesen. Er arbeitet aktuell an einem Dokumentarfilm und einer Ausstellung über den Ukrainekrieg und kam extra für die Aufnahmen unseres urbanharbor Konzerts von Berlin nach Ludwigsburg. Auch das Video Honorar fließt in dieses Projekt.
Ein Bericht darüber findet sich in der Heilbronner Stimme.
Ein besonderer Gruß geht an Nikolai, der heute seinen Geburtstag feiert. Herzlichen Glückwunsch, lieber Nikolai und einen guten Start ins neuen Lebensjahr!
Es grüßt euch nochmals der Wochenmail-Vertreter Uwe, und wünscht ein einen guten Start in die Woche. |